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Radebeul: Spannende Orte der Industriekultur

Für seinen Wein und die lauschigen Villenviertel ist Radebeul bekannt. Seine Geschichte als Industriestandort beleuchtet nun ein neuer Stadtrundgang mit 20 „Hörstationen“.

Wer die „Spuren der Radebeuler Industriegeschichte“ erkunden möchte, bekommt nicht viel zu sehen. Das mag ungewöhnlich für einen kulturhistorischen Stadtrundgang erscheinen, doch es gehört zum Konzept – schließlich ist der Spaziergang als Audio-Erlebnis konzipiert. So bekommen die Besucher an jeder Station etwas auf die Ohren, selbst wenn von historischen Gebäuden nur wenig oder nichts mehr vorhanden ist. Man hört Geschichten zu historischen oder noch bestehenden Firmen, Anekdoten zu Unternehmern oder spannende Fakten zu weltbekannten Produkten.

Unternehmensgeschichte via QR-Code

Wo sich Kiefern- und Wichernstraße treffen, entfaltet sich eine „Kopfkino-Vorstellung“ zur ehemaligen Waffelfabrik Haubold & Richter. Per Smartphone-Scan des QR-Codes erfährt man am historischen Ort vieles über die bewegte Unternehmensgeschichte nach der Gründung im Jahr 1907. Rasch entwickelte sich die Firma damals zum Großbetrieb, dessen Produkte unter Markennamen wie „Nordland“ oder „Victoria“ sehr gefragt waren. 1928 produzierten hier schon fast 100 Mitarbeiter Waffeln, Lebkuchen und Zwieback. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wurden die Firmengründer jedoch im Zuge der „Arisierung“ enteignet. Der neue Besitzer brachte das Unternehmen durch die Kriegsjahre und verschwand, als sich eine sowjetische Besatzungszone abzeichnete. Die Vorbesitzer waren derweil in die USA emigriert. Eine erneute Enteignung verwandelte den Betrieb in den VEB Waffelfabrik Radebeul, der etliche Umstrukturierungen und sogar die Wendezeit überlebte, bis der Betrieb 1992 eingestellt wurde.
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Waffelfabrik Richter in Radebeul
© Stadtarchiv Radebeul
Radebeul war und ist für die Produktion von Genussgütern bekannt.

Die Geschichte der Fabrik von Heyden

Am früheren Standort der „Chemischen Fabrik von Heyden“ an der Meißner Straße warten weitere Aha-Momente auf Industriegeschichten-Hörer. Dort nämlich wurde ein Verfahren zur Produktion hochwertiger Salicylsäure entwickelt, woraus das Unternehmen ein äußerst erfolgreiches Präparat namens Acetylsalicylsäure (ASS) entwickelte. Das ließ man zwar patentieren, doch beim Markenschutz war der Konkurrent Bayer schneller – darum ist „Aspirin“ heute weit bekannter als ASS. Dennoch wurde die Heydensche Fabrik zu einem der bedeutendsten Chemieunternehmen Sachsens. Einer der führenden Chemiker des Hauses entdeckte – wohl eher zufällig – das Silikon, ein anderer entwickelte das Ester Salol. Weil er meinte, dass sich daraus ein feines Mundwasser machen ließe, schrieb er dafür eines Sonntags das Rezept auf – und verschenkte es an einen Freund. Der hieß Karl August Lingner und vermarktete es unter dem Namen „Odol“ in einer unverwechselbar geformten Flasche. Das machte ihn reich, berühmt und zum Gründer des Deutschen Hygiene Museums Dresden. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte …

Link zur Industriegeschichte in Radebeul
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Werbeanzeige von ODOL, 1902
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Chemische Fabrik von Heyden

Das verschenkte Erfolgsrezept

Solche und viele weitere Geschichten bilden ein unterhaltsames Puzzle, von dem viele Teile eng mit der Stadtgeschichte verwoben sind. Als im Jahr 1880 die „Reblaus-Katastrophe“ den Elbtal-Weinbau für Jahrzehnte zunichte gemacht hatte, wurden viele der porträtierten Unternehmen zum neuen wirtschaftlichen Rückgrat Radebeuls. Wo zuvor Weinstöcke das Bild bestimmt hatten, entstanden nun die Villen vieler Fabrikanten, die sich in Radebeul ansiedelten – ein Wirtschaftsboom setzte ein.

Akteure waren etwa die Maschinenfabrik August Koebig, die 1890 in Dresden als „Fabrik zur Herstellung von Papierverarbeitungsmaschinen“ gegründet worden war. 1894 zog die wachsende Firma nach Radebeul um und entwickelte sich zu einem weltweit gefragten Hersteller von Druckmaschinen. Trotz der kompletten Demontage der Fabrik nach dem Zweiten Weltkrieg arbeiteten bereits 1949 wieder 200 Menschen in dem nunmehr VEB Radebeuler Maschinenfabrik genannten Betrieb. 1968 ging er im VEB Druckmaschinenwerk „Planeta“ auf, die nach der deutschen Wiedervereinigung in die Koenig & Bauer AG integriert wurde.

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