Kamenz
Die Kunstgeschichte kennt keine Verbindung der historischen Dada-Bewegung zum sächsischen Kamenz. Vielleicht ist die vielfältige „Anti-Kunst“ dort gerade deshalb am richtigen Ort.
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Kunstwerke von Dada-Pionieren wie Hans Arp oder Hugo Ball sucht man vergeblich im neuen Dada-Zentrum zu Kamenz. Auch Werke regionaler Dadaisten wie Otto Dix oder Otto Griebel finden sich nicht in der „Alten Posthalterei“ in der Kamenzer Zwingerstraße. Aber das sei nicht schlimm, findet Johannes Schwabe. Der junge Kunsthistoriker leitet das städtische Kunstzentrum und zeigt bei der Führung durch die kleine Ausstellung, dass die eigenwillige Kunstbewegung bis heute erstaunlich lebendig ist. „Das Schöne an dem Zentrum: In unserer Kunstwerkstatt kann jeder erleben, dass Dada-Kunst eine Ausdrucksform für alle ist.“
Dass diese originellen kleinen Kunstwerke oft subversive Kraft entwickelten, liegt auf der Hand. „Wenn Dada-Künstler wie Frank Voigt zu DDR-Zeiten Postkarten mit Collagen aus Staatsmedien-Schnipseln ins Ausland verschickten, wirkte das natürlich verdächtig“, erzählt Schwabe. Harmloses wurde durch die Dada-Verfremdung rasch zur Systemkritik – oder auch andersherum.
Die spielerische Vielfalt der Möglichkeiten von Collage, Fotomontage oder Drucktechniken macht für Johannes Schwabe den Reiz der Dada-Kunst aus, den er gern weitervermittelt. In der angeschlossenen Dada-Werkstatt lädt der Museumskurator denn auch regelmäßig dazu ein, eigene Kunst zu machen. Dann wird geschnipselt, diskutiert, geklebt und auf der historischen Druckpresse aus Kamenzer Produktion gedruckt. Einige Ergebnisse dieser künstlerischen Experimente sind regelmäßig im Ausstellungsraum zu sehen. Sie ergänzen die rund vier Ausstellungen, die in jedem Jahr geplant sind und die regelmäßig erneute Besuche in der Zwingerstraße 20 in Kamenz lohnen. Geöffnet ist das Dada-Zentrum von Freitag bis Sonntag zwischen 13 und 17 Uhr. Aktuelle Informationen zu den Ausstellungen sind jeweils auf der Facebook-Seite zu finden.
Link zum Facebook-Account des Dada-Museums Kamenz
Als sich 1916 die ersten Dadaisten in Zürich zusammenfanden, stand der Protest gegen die geltenden Konventionen im Mittelpunkt – politisch, gesellschaftlich, künstlerisch, ästhetisch. Der Erste Weltkrieg war noch voll im Gange, viele Künstler fanden sich im Exil und suchten nach Wegen, um die Sinnlosigkeit des massenhaften Sterbens auf den Schlachtfeldern künstlerisch zu verarbeiten. Das Ergebnis war eine Kunst, deren „Sinn“ sich vielen Zeitgenossen schwer oder gar nicht erschloss. Durch Improvisation, Zufall oder Freude am Absurden deutete sie Alltägliches zur Kunst um, oft provokant und nicht selten maßlos. Entsprechend kontrovers wurden die Kunst und die Performances der Dadaisten in der Öffentlichkeit diskutiert. Impulsiv bis explosiv entwickelten sich auch die Auseinandersetzungen unter den Künstlern selbst, sodass die Dada-Bewegung schon nach wenigen Jahren wieder in sich zusammenfiel.
Für die Dada-Idee gilt das freilich nicht, und genau diesen Umstand feiert das Dada-Zentrum Kamenz seit seiner Eröffnung im März 2023. „Bis heute beschäftigen sich Künstler auf der ganzen Welt mit Dada-Kunst“, weiß Kunsthistoriker Schwabe. Das dokumentiert die Sammlung des Zentrums, die über 600 Werke sächsischer und internationaler Dada-Künstler aus den vergangenen fünf Jahrzehnten umfasst. Augenfällig ist dabei, dass verschiedene Collage-Techniken noch immer eine herausragende Rolle spielen, etwa bei der sogenannten Mail-Art. Dabei schicken sich Dada-Künstler begonnene Kunstwerke per Post, die dann – oft auch auf anderen Kontinenten – vom Empfänger auf eigene Weise komplettiert werden.
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