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Görlitz: Die Pfarrkirche St. Peter und Paul

Görlitz

Die Görlitzer Pfarrkirche St. Peter und Paul zieht seit Jahrhunderten Architekturfans und Musikliebhaber gleichermaßen in ihren Bann.

Weithin sichtbar ragen die Türme der Peter-und-Paul-Kirche in den Himmel über der Neiße. Bis heute stehen sie für den Stolz der Görlitzer Bürger, deren Stadt über Jahrhunderte ein florierendes Wirtschaftszentrum an der Via Regia war. Vor allem der profitable Handel mit kostbarem Färberwaid aus Thüringen hatte sie reich gemacht: Nur damit ließen sich damals Stoffe blau einfärben, und Görlitzer Händler dominierten den Export der teuren Ware nach ganz Ost- und Südosteuropa.

Bürgerstolz in Stein

Die romanische Stadtkirche war deshalb bald zu klein und zu bescheiden für das boomende Selbstbewusstsein der Görlitzer. Also beauftragten sie 1423 die renommiertesten Baumeister ihrer Zeit mit einem Neubau. Schon bald wuchs ein monumentales Bauwerk heran, in dem nur das alte Westportal aus der Romanik erhalten blieb. Die Nachfahren Peter Parlers von der legendären Prager Dombauhütte betreuten zeitweise den Bau, dessen erster Abschnitt 1457 mit der Weihe von neun Altären abgeschlossen wurde.

Doch den Görlitzern war selbst dieser fünfschiffige Bau noch immer nicht groß genug. Allein: Der Baugrund war zu klein. Also entstand – praktisch als Fundament am Neißehang – die sehenswerte Georgenkirche, die heute als Winterkirche dient und Krypta genannt wird. Darauf ließ sich nun der gewaltige Hallenchor errichten, der die neue Kirche erheblich vergrößerte. Der erfahrene Baumeister Arnold von Westfalen zeichnete bis 1480 für den Chorbau verantwortlich, danach übernahm sein Kollege Conrad Pflüger, der das eindrucksvolle Netzgewölbe vollendete, unter dem 1497 eine erneute Kirchweihe gefeiert wurde.

Bis zu 36 Altäre sollen in der nunmehr größten gotischen Hallenkirche Sachsens gestanden haben. Selbst nach der Einführung der Reformation anno 1525 wurde diese überbordende Vielfalt genutzt, bis die gesamte Innenausstattung 1691 einem Stadtbrand zum Opfer fiel.

Aber selbst nach dem Wiederaufbau fehlte dem Kirchbau noch ein entscheidendes Detail, genau genommen sogar zwei: die markanten Türme. In ihrer heutigen Form entstanden sie nach dem Abbruch der barocken Turmhelme erst zum Ende des 19. Jahrhunderts im Stil der Neogotik.

© Franziska Glaubitz
Pfarrkirche St. Peter und Paul, Sonnenorgel

Erst sattsehen, dann hinhören

Im Inneren der Kirche wird die beeindruckende Architektur jedoch bisweilen zum Nebendarsteller: immer dann, wenn die „Sonnenorgel“ erklingt. Dieses einzigartige Instrument verzaubert die gewaltige Kirche bereits mit wenigen Tönen, von denen man jeden als kleines Wunder bezeichnen kann. Dieses Wunder birgt mehr als 300 Jahre Geschichte und hat interessanterweise zwei Väter – aus ganz unterschiedlichen Generationen.

Der erste hieß Johann Eugen Caspar und verließ seine Lausitzer Heimat um das Jahr 1640 gen Süden. 1697 kehrte er nach Stationen wie dem Wiener Hof unter dem Namen Eugenio Casparini zurück, um in Görlitz sein Meisterwerk zu erschaffen. Stolze 57 Register wies das monumentale Instrument nach seiner Einweihung im Jahr 1703 auf. Die „Stars“ der Orgel waren jedoch ihre 17 „Sonnen“ am Prospekt, in denen jeweils zwölf klingende und vier stumme Pfeifen strahlenförmig um goldene Sonnengesichter herum angeordnet sind.

Gehört hatte Reinhard Seeliger deren Klänge noch nie, als er zum zweiten „Vater“ der neuen Sonnenorgel wurde. Bereits 1927 war die marode Casparini-Orgel nämlich durch ein elektro-pneumatisches Instrument ersetzt worden. Als im Rahmen der Kirchsanierung auch der Orgelprospekt restauriert wurde, gewann der heutige Kirchenmusikdirektor Seeliger 1991 etliche gleichgesinnte Orgelliebhaber für den „Freundeskreis Görlitzer Sonnenorgel“. Bis 1997 brachte der Verein Spenden in Höhe von 1,5 Millionen D-Mark für den ersten Bauabschnitt der neuen Sonnenorgel zusammen. In drei weiteren Bauabschnitten konnten mit neuen Spenden in ähnlicher Höhe die „Sonnen“ wieder reaktiviert werden, ein Schwellwerk und weitere Pedalregister kamen hinzu und die Zahl der Register wuchs auf 91. Diese lassen derzeit 6.155 Pfeifen erklingen, und Reinhard Seeliger sieht sein Lebenswerk vollendet.

Beinahe zumindest: „In einem wirklich allerletzten Bauabschnitt kommen in Kürze noch fünf Register ‚spanischer Trompeten‘ mit weiteren 230 Pfeifen hinzu“ sagt er. Die habe es zu Casparinis Zeiten zwar noch nicht gegeben, doch der Kirchenmusiker ist sicher: „Das hätte ihm gefallen!“

Link zur Stadt Görlitz

Jacob Böhme entdecken

Von seinem ersten Wohnhaus blickte Jacob Böhme über die Neiße auf die Peterskirche. Sein Arbeitsweg zum Untermarkt führte ihn am Südportal vorbei, wo damals schon die Sonnenuhr von Bartholomäus Scultetus hing, die dort jetzt wieder frisch restauriert zu sehen ist. Böhme nannte Hegel einst den „ersten deutschen Philosophen“, weil der seine Werke in deutscher Sprache verfasste. Der Todestag des weltweit verehrten Görlitzer Gelehrten jährt sich 2024 zum 400. Mal. Seine Heimatstadt lädt deshalb zu einer vielfältigen Spurensuche ein.

Link zu Jacob Böhme

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