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Lichtspiel im Kirchenschiff
Augenscheinlich ist es kein Zufall, dass am 26. Juli die Sonne direkt hinter dem Hauptaltar aufgeht: Jener Tag gilt seit vielen Jahrhunderten als Namenstag der Heiligen Anna, Mutter
Marias und Namenspatronin der St. Annenkirche. Vielleicht liegt darin sogar der Grund, weshalb das Kirchenschiff nicht genau gen Osten ausgerichtet ist, wie es eigentlich üblich
war. Auch der filigran gestaltete Hauptaltar entfaltet seine Wirkung unter dem hohen Gewölbe erst im Zusammenspiel
mit dem Tageslicht.
So mag der Marmoraltar der Augsburger Bildhauer Adolf und Hans Daucher fast unscheinbar wirken, umgeben von farbenprächtigen weiteren Altären und Kunstwerken. Doch beim zweiten Hinschauen entwickelt sich eine überwältigende Tiefe aus dem Spiel von Licht und Schatten, das den Betrachter in die Formensprache der Frührenaissance entführt und die Familiengeschichte Jesu als Stammbaum zeigt.
Im Licht der meterhohen Buntglasfenster kommen beim Rundgang immer wieder neue Details zutage. In der farbenfrohen „Bilderbibel“, die sich an der Emporenbalustrade um das gesamte Kirchenschiff zieht, beleuchtet es unzählige Details und je nach Tageszeit oder Sonnenstand fallen andere Motive ins Auge. Viele sind derart feingliedrig gestaltet, dass man die Kunstwerke der Steinbildhauer für Holzschnitzereien
halten möchte.
Bergmännisches Wimmelbild
Bei der „Schönen Tür“ besteht diese Gefahr freilich nicht. Von feinster Bildhauerkunst in höchster Vollendung zeugen auch ihre ausdrucksstarken Figuren, doch abgesehen von der blauen Grundierung kommt sie ohne Farbe aus. Der Meister „HW“, dessen Name bis heute nicht eindeutig bestimmt wurde, schuf das Portal ursprünglich um 1512 für das örtliche Franziskanerkloster. Als das im Zuge der Reformation aufgelöst wurde, fand das Kunstwerk in der St. Annenkirche einen neuen Platz. Weil die dargestellte Geschichte des heiligen Franziskus zu deutlich an katholische Zeiten erinnerte, wurde das Ensemble um die Figuren von Adam, Eva, Moses und Johannes erweitert – das genügte für eine „evangelische Note“.
Doch trotz aller steinernen Schönheit in St. Annen ist der heimliche Star der Kirche aus Holz geschnitzt: der Bergaltar oder, ganz korrekt, der „Altar der Bergknappschaft“. Links vom Hauptaltar steht er und trotz wunderschöner Schnitzkunst und Malerei auf seiner Vorderseite zieht es die meisten Besucher zuerst hinter den Altar. Dort nämlich findet sich die berühmte Darstellung bergmännischen Lebens vor rund 500 Jahren, die der Maler Hans Hesse meisterhaft in Szene setzte. Wie in einem Wimmelbild entdeckt der Betrachter immer wieder neue Motive, die den Alltag jener Bergleute zeigen, welche den Altar einst stifteten. Die vielen Arbeitsschritte von der Silbergewinnung bis zur Münzprägung sind hier dargestellt und auch beeindruckend lebensnahe Szenen des Alltags aus jener Zeit. Wenn man sich vor Augen führt, dass die meisten Bergleute einen großen Teil ihres Lebens in der spärlich beleuchteten Finsternis unter Tage zubrachten, versteht man schließlich auch, weshalb das Licht in dieser hellen und hohen Kirche zu Annaberg solch eine wichtige Rolle spielt.
Link zur St. Annenkirche